Ihr Brief ist zu schön, als daß ich ihm antworten könte. Mit Küsßen, mit Thränen der Entzückung mit gleich edeln Gesinnungen möchte ich Ihnen lieber antwohrten. Wie zärtlich dankte ich der Vorsehnung für Sie! Was für ein himlisches Herz ist das Ihrige. O glauben Sie, geliebteste Freundin, daß Sie nicht mehr geliebt werden könen, als ich Sie lieben werde. Ich bin fähig, den unendlichen Werth Ihrer Seele zu kennen und zu lieben, und ich bin stolz darauf, Ich freue mich mit einer süßen Ungeduld auf unser Wiedersehn. Wie himlisch sollen die Stunden seyn, die wir da verleben wollen!
Die Ode, die ich Ihnen schicke, drückt etwas von der großen Empfindung aus, die mir Ihr letztes Schreiben erweckte. Warum bin ich doch kein so schöner Geist als Herr Klopstock! Ich würde gleich auf Ihr liebes Schreiben geantwohrtet haben, wenn ich Ihnen nicht zugleich meinen „Frühling“ hätte übersenden wollen. Ich weiß nicht, ob Sie schon eine deutsche Poesie mit lateinischen Buchstaben gelesen haben.
Weil ich in beiden Gedichten mit Ihnen, himlische Freundin, rede und Ihnen das sage, was immer meine Gedanken beschäftigt, so will ich hier schließen. Ich umarme Sie auf das Zärtlichste, meine liebenswürdige Sophie, leben Sie vergnügt, und lieben Sie mich. Ja, göttliche Freundinn, wir wollen uns ewig lieben und gewiß, wir werden noch ein Beispiel von Glückseligkeit werden…
Christoph Martin Wieland an Sophie von Gutermann