8. Januar 1776
Ich bin geplagt und so gute Nacht. Ich habe liebe Briefe gekriegt, die mich aber peinigen weil sie lieb sind. Und alles Liebe peinigt mich auch hier, außer Sie, liebe Frau, so lieb Sie auch sind …
27. Januar 1776
Liebe Frau, ich war heute Nacht von einem Teufelshumor zu Anfang. Es drückte mich und Louisen, das Sie fehlten … Carl gab mir das Zettelchen, das machte die Sache ärger, mich brannte es unter den Sohlen, zu Ihnen zu laufen … wir dachten an dich, liebe liebe Frau. Kommst doch heute Abend.
28. Januar 1776
Lieber Engel, ich komm´ nicht ins Konzert! Denn ich bin so wohl, dass ich nicht sehen kann das Volk! Lieber Engel! Ich ließ meine Briefe holen, und es verdross mich, dass kein Wort darin war von dir, kein Wort mit Bleistift, kein guter Abend. Liebe Freu, leide, dass ich dich so lieb habe. Wenn ich jemanden lieber haben kann, will ich dir´s sagen. Will dich ungeplagt lassen. Adieu, Gold. Du begreifst nicht, wie lieb ich dich hab´.
29. Januar 1776
Mit Ihnen unter dem Dache! Ich fange wieder an zu schreiben, es wird eine Billett-Krankheit unter uns geben, wenn´s so von Morgen zu Nacht fortgeht. Der Herzog lässt mich und Wedel hier oben sitzen und steht hinter Ihrem Stuhle, schwör´ ich – Er kommt – Wir haben heute viel Guts gehandelt über die Vergangenheit und Zukunft: ich sehe viel voraus, das ich nicht ändern kann. Gute Nacht, goldne Frau.
30 Januar 1776
Das schrieb ich gestern Nacht, und jetzt einen guten Morgen und Stella. Ich habe gut geschlafen, und meine Seele ist rein und voll frohen Gefühls der Zukunft. Kommen Sie heut zum Hof? Louise war gestern lieb. Großer Gott, ich begreife nur nicht, was Ihr Herz so zusammenzieht. Ich sah ihr in die Seele, und doch wenn ich nicht so warm für Sie wäre, sie hätte mich erkältet … Nun, liebe Frau bewahr´ dich Gott und hab´ mich lieb. Ist doch nichts anders auf der Welt.
Johan Wolfgang von Goethe an Charlotte von Stein