Donnerstag abend, 8 Uhr. – ich mache diesen Gedankenstrich und sehe aus dem Fenster. Über dem Deister ist es rot und so wölkigt helle, als wollte es eine beständige gute Witterung werden – und so ungefähr ist mir diesen Ab end meine Gesundheit, von der ich jetzt überhaupt sehr zufrieden bin. – Mein Leben ist jetzt ein ruhiger Traum eines schwachen, aber ruhigen und zufriedenen Genesenden, den seine Phantasie zwar nicht in muntere, frohe Örter bringt, den sie aber in dunklen Gegenden weidet und erquickt, dem sie bisweilen einen Wunsch versagt, den sie von der anderen Seite dann aber wieder mit Anmut und Wärme belebt.
Man vergleicht oft das menschliche Leben mit einer Pflanze – und der Mensch hat auch in der Tat vieles mit der Pflanze ähnlich. So lange er wächst, ist er weich und biegsam, man kann ihm jede Lage, jede Gestalt willkürlich machen, zu allem lenken, wenn es nur nach und nach geschieht. –
Er ist Trieb – weit um sich scheint seine Grenze ihm noch zu eng. Nun aber hat er sein Wachstum vollendet, nun wird er stärker – er stehet ruhiger, er findet schon seine Beschränkung. – So stehet die Pflanze vor der Blüte – erholt sich – und dann bricht sie aus ihrem größten Glanze – da stehet sie in ihrer Vollkommenheit zum Wohlgefallen des Schöpfers, zur Freude und Wonne der ganzen Natur. – Und dies, liebes Klärchen, ist die Liebe, ist die Reife, die Vollkommenheit unseres irdischen Daseins; und so wie die Blüte die Vollkommenheit der Frucht entwickelt, so —. So wohltätig ist die Natur. Ihre innere Wärme, ihre wirkende Kraft ist Wonne und Bereitung zu höheren Vollkommenheiten.
Wie die Menschen noch so bang vor der Zukunft sein können, wie sie sich quälen können,m da doch die Natur so allgütig in uns wirkt, Freude und Wonne in uns entzündet, wenn wir uns ihr nur in die Arme werfen, wenn wir uns nur der wohltätigen Belebung des Schöpfers überlassen!…
Gerhard von Scharnhorst an Klara Schmalz